Vom „Krempel-Tempel“ zum Schaffwerk in Pfullingen – GEA vom 28.4.15

Kultur – Ein Förderverein soll Peter Kramers Erbe unterstützen
VON PATRICIA KOZJEK
PFULLINGEN. Vor gut viereinhalb Jahren erbte Sabine Kramer ein Haus in der Gönninger Straße, am Ortsrand von Pfullingen. Lange hat sie sich Gedanken gemacht, was aus Peter Kramers Vermächtnis werden soll.

Die ersten Unterstützer des Schaffwerks haben schon einiges auf die Beine gestellt. Allen voran Erbin Sabine Kramer mit »Handy« ihres Vaters in der Hand, links daneben Harald Sickinger von der Agentur für unschätzbare Werte. Eine Menge Input zum Projekt hat auch Franziska Schiller (mit altem Teppichklopfer) geliefert. FOTO: Patricia Kozjek
Weil das alte Bauernhaus einst vom Abriss bedroht war, hat es ihr Vater – der als Pfullinger Original galt und im Nebenberuf 30 Jahre lang Wirt vom Kiosk am Schönbergturm war – 1993 gekauft: mit marodem Dach, ohne Küche und ohne Bad, aber mit Holz- und Kohle-Öfen. Gewohnt hat Peter Kramer, der 2010 mit 68 Jahren gestorben ist, dort nie, aber feste gewerkelt und enthusiastisch gesammelt. »Zu schade zum Verkaufen«, fand es Sabine Kramer nach dem Tod ihres Vaters. Erst holte sie sich Rat, dann ein Konzept von Harald Sickinger von der »Agentur für unschätzbare Werte«.
»Es kommt darauf an, wie man’s betrachtet«

Im November 2013 wurde das Konzept eingereicht und von da an auch vom Biosphärengebiet Schwäbische Alb gefördert. Für das originelle Bauernhaus, das zwischenzeitlich ein lebendiges Gesamtkunstwerk inklusive Kulturbetrieb ist, gibt es zahlreiche Ideen und einen kleinen, feinen Kreis von Unterstützern. Aus dem Vorhaben ist ein Kulturbetrieb entstanden. Ein neues Schild im Garten weist darauf hin: »Schaffwerk – ein Kulturbetrieb für andere Perspektiven zum Mitmachen und Raum für andere Wirtschaft«.

Peter Kramer, der im Ort zu Lebzeiten von manchen auch als Künstler wahrgenommen wurde, hat das Haus als »Krempel-Tempel«, »Eierbach-Museum« oder »Schlechttal-Hütte« bezeichnet, erzählt Sickinger. Zugegeben: Läuft man durchs Häuschen, mitten hinein in die alte Scheuer, erschließt sich einem der Sinn des Ganzen nicht auf den ersten Blick.

Doch lässt man sich auf die Details ein, eröffnen sich Welten. »Es kommt darauf an, wie man’s betrachtet«, erklärt ein Bürger, der von Sickinger auf dem Pfullinger Marktplatz interviewt wurde, in einem Video. »Was ist nützlich oder was hält man dafür?«, könnte eine von vielen Fragen lauten, glaubt Sickinger selbst. Die »ungeordnete Vergangenheit« ihres Vaters, der »kein einfacher Mensch war«, können Besucher auf sich wirken lassen, meint Sabine Kramer. »Sie sollen nicht nur gucken, sondern sich auf die Atmosphäre des Hauses einlassen«, wünscht sie sich. Das tun offensichtlich schon einige. 1 000 Besucher sind in den vergangenen zwei Jahren durch das Haus gegangen. »Einige von ihnen haben sich sogar textlich inspirieren lassen«. Andere genossen Konzerte und Vorstellungen, die sogenannten »Probeveranstaltungen« im heimeligen Garten, der zahlreiche Gebrauchsgegenstände, Skulpturen und selbst Geschweißtes von Kramer beherbergt, der Hochdruckschlosser war.

Auch Menschen mit Behinderung sollen künftig am Projekt beteiligt werden, wünschen sich Kramer und Sickinger. Franziska Schiller hat sich »in das Haus ihrer Kindheit zurückverliebt«, wie sie offenbart. »Meine Großeltern am Bodensee lebten genau in so einem. Es ist, wie wenn sie wieder vom Himmel heruntergekommen wären und wir neu beginnen können«, schwärmt sie. »Ich möchte gerne zur Entwicklung und dem Betrieb beitragen.« Wie beispielsweise »barrierefrei« in diesem Haus funktionieren könnte, daran tüftelt nicht nur die Frau im Rollstuhl. Auch die Architektenbrüder Andreas Hartmaier (Münsingen) und Stefan Hartmaier (Kirchentellinsfurt) haben dazu schon Ideen geliefert.
»Manche Stücke verlassen auch mal das Haus«

Die Sammlerobjekte stammen vorwiegend aus Pfullingen und der Region. Kramer hinterließ der Nachwelt mit seinem Sammelsurium auch Fragen: »Was war das? Was ist das? Was kann das sein?« Diese Fragen beschäftigen Sabine Kramer nicht allein. Sie ist es, die dem Ganzen den Namen »Schaffwerk« gegeben hat. »Ein Werk, das Peter Kramer in der Vergangenheit schuf, weist zugleich auch in die Zukunft. Schaffwerk heißt auch: weiter schaffen und zugleich weiter darüber hinausführen«, erklärt sie.

So manche Geschichte hängt an den alten Gegenständen, wie zum Beispiel am Teppichklopfer, der an den Aufstand der Pfullinger Frauen zum Kriegsende gegen die Nazi-Schergen der Stadt erinnert. »Ein lebendiges Museum heißt: Manche Stücke verlassen auch mal das Haus«, sagt Sickinger und präsentiert eine Videosequenz, in der der Teppichklopfer den Anlass für Gespräche auf dem Pfullinger Marktplatz liefert.

Fazit: Das Kultur-Konzept des Schaffwerks ist wenig formalisiert, vieles darf einfach wachsen. Für den Kulturbetrieb werden weitere Unterstützer gesucht. Noch in diesem Jahr soll ein Förderverein gegründet werden. (GEA)
Weitere Informationen
• www.das-schaffwerk.de