Ein Original und eine Legende – Reutlinger GEA vom 23.10.2012

Schaffwerk – Pfullinger »Schlechtalhütte« erstmals öffentlich zugänglich: Was bedeutet Peter Kramers Erbe?

VON JÖRG BACHSCHUSTER

PFULLINGEN. Seit dem Tod Peter Kramers vor zwei Jahren ist in Pfullingen viel diskutiert worden – und es ist noch kein Ende abzusehen. Was wird aus der »Schlechtalhütte« vom Schembergpeter? Was wird aus seiner Sammlung von Dingen aller Art? Was wird aus seiner Kunst? Und ist das überhaupt Kunst?

Für die Besucher gab es in der »Schlechtalhütte« wahrlich viel zu sehen. FOTO: BACHSCHUSTER

Am Wochenende hat es die ersten multimedialen Führungen im Haus des Pfullinger Sammlers, Schaffers und Originals Peter Kramer gegeben. Das Thema »Isch des Kunscht odr ka des weg?« spiegelt das Dilemma wider, in dem sich Sabine Kramer angesichts des umfangreichen Erbes ihres Vaters befindet. Es zeigt aber auch die Schwierigkeiten, Kunst zu definieren.

Freunde, Bürger, Weggefährten

Sabine Kramer führt die Besucher durch die wichtigsten Räume des Schaffwerks an der Gönninger Straße und erzählt dabei von ihrem Vater. In dem alten Bauernhaus herrscht wegen der Fülle von Selbstgebasteltem, Gesammeltem und Gefundenem eine Stimmung wie in einem Museum.

Es gibt so viel zu entdecken, dass Sabine Kramer Mühe hat, die Besucher dann für den Film »Das Erbe« in der alten Scheune zu versammeln. Kramer und ihr Lebensgefährte Harald Sickinger haben für diese Dokumentation alte Freunde und Weggefährten vom Schembergpeter, aber auch ortsansässige Künstler und Pfullinger Bürger zu dessen Leben und Vermächtnis befragt. Die Antworten sind so facettenreich, wie Peter Kramer selbst es war. Viele sind überzeugt, dass es sich bei seinem Schaffen um Kunst handelt. »In hundert Jahren ist das was wert«, meint ein Besucher. Eine Pfullingerin spricht sich dafür aus, die Sammlung zu erhalten: »Weg kann da gar nichts. Ich bin selbst auch eine leidenschaftliche Sammlerin.«

Ein Weggefährte Kramers antwortet im Film auf die Leitfrage: »Es ist unbedingt Kunst. Peter selbst war ein Lebenskunstwerk. Er ist nicht einzuordnen, hat in kein Kästle gepasst und war blitzgescheit.«

Auch Sabine Kramer selbst sieht das Erbe ihres Vaters als Gesamtkunstwerk an. Das Haus vor den Führungen teilweise zu entrümpeln, fiel ihr dementsprechend schwer. »Es braucht eben alles, um so vollständig zu sein.«

»Peter Kramer hat dafür gesorgt, dass nicht alles 08/15 ist«, lautet eine Kernaussage im Film. Mit seiner unkonventionellen Art ist der Schembergpeter bei den Pfullingern oft angeeckt. So mancher Bürger wusste zu Lebzeiten Kramers nicht so recht, was er mit diesem »Sonderling« anfangen sollte. Zumal Kramer nicht aufs Maul gefallen war. Dies bestätigt im Film auch ein Passant: »Pfullinger sind schon etwas neugierig. Manchmal wurde negativ über ihn gesprochen. Anfangs ging ihm das Nahe, später war es ihm egal.«

Dass ein Ort wie die »Schlechtalhütte« ihresgleichen sucht, darüber waren sich alle einig. »Es ist schon etwas Besonderes. Er war ein Original«, lautet ein Urteil, ein anderes: »Er war eine Legende – dank Sammlertum, Humor, Witz und Schalk.«

Einzigartig, erhaltenswert

»Meiner Ansicht nach ist es keine Kunst im herkömmlichen Sinne, sondern Soziokultur. Das Werk Kramers erzeugt eine Resonanz, ohne banalisierend zu sein. Diese Art von Kunst schaut dahinter«, lautet die Einschätzung von Harald Sickinger. Der Pfullinger Künstler Helmut Bachschuster fordert dazu auf, Kramer als Anregung zu nehmen für »Eigensinn, Zivilcourage und Kontroverse«.

Das Fazit fiel uneindeutig aus. Bei Kramers Erbe handele es sich schon irgendwie um »Gruscht«. Ob es Kunst sei, sei schwer zu sagen. Auf jeden Fall sei Kramers Nachlass wegen seiner Einzigartigkeit und Originalität absolut erhaltenswert.

So geht die Diskussion um das Vermächtnis von Peter Kramer weiter. Und fast unbemerkt hat sich in den Gesprächen herausgestellt, dass eines der wichtigsten Merkmale von Kunst, nämlich dass sie für Gesprächsstoff und Auseinandersetzung sorgt und die Leute zum Nachdenken anregt, ganz deutlich auf Werk und Schaffen des Schembergpeters zutrifft. (GEA)